Der SAP Clean Core – also ein sauberes SAP-Kernsystem – galt bereits in der Vergangenheit als erstrebenswert. Mit S/4HANA wird der Ansatz nun jedoch noch wichtiger. Alle wichtigen Informationen zum Thema!
Der Clean Core-Ansatz von SAP ist eine methodische Strategie zur Standardisierung von SAP-Systemen – insbesondere von SAP S/4HANA Cloud. Wie der Name bereits andeutet, geht es bei dem Ansatz darum, den Kern des ERP-Systems „sauber“ zu halten. Technisch gesehen bedeutet dies, dass bewusst auf Modifikationen (individuelle Anpassungen) des Kernsystems verzichtet wird, um eine wartungsfreundliche, stabile und updatefähige Architektur zu schaffen.
Ziel des SAP Clean Core-Ansatzes ist es, die Agilität, Sicherheit und Innovationsfähigkeit von Unternehmen zu erhöhen, indem der SAP-Standard konsequent eingehalten wird. Erweiterungen erfolgen dabei ausschließlich über externe Plattformen wie die SAP Business Technology Platform (BTP). Dadurch bleibt das ERP-System upgradefähig, während individuelle Anforderungen über moderne Erweiterungskonzepte abgebildet werden können.
SAP hat sich aus mehreren Gründen dazu entschieden, den Clean Core-Ansatz zu verfolgen. Zunächst liegt dieser Strategie die Erkenntniss des Software-Herstellers zugrunde, dass 80 Prozent der Geschäftsprozesse in allen Unternehmen annähernd gleich sind. Diese Standardprozesse bieten zudem wenig Potenzial zur Differenzierung im Wettbewerb. Insofern hat es wenig Nutzen für SAP-Kunden, sie zu individualisieren.
Ein weiterer Grund ist die klar erkennbare Entwicklung von SAP hin zu einem Cloud-ERP-Anbieter: Cloudbasierte Systeme erfordern grundsätzlich eine stärkere Standardisierung, da Updates sonst nicht problemlos für alle Kunden ausgerollt werden können. Dahinter steckt auch ein gewisser Wettbewerbsdruck. Denn Konkurrenten wie Microsoft setzen ebenfalls auf standardisierte Cloud-ERP-Software mit kurzen Innovationszyklen.
Außerdem macht sich SAP aus folgenden Beweggründen für einen „sauberen Kern“ stark:
Mit der Einführung von SAP S/4HANA hat sich die SAP-Produktstrategie grundlegend verändert. Während frühere SAP-ERP-Versionen hochgradig individualisierbar waren, setzt der Software-Anbieter nun auf standardisierte Prozesse und harmonisierte Datenstrukturen – bevorzugt in der Cloud. Durch die konsequente Umsetzung des Clean Core-Ansatzes können Unternehmen seither uneingeschränkt von SAPs Innovationen profitieren. Sie haben also jederzeit Zugriff auf moderne Tools sowie künftige Weiterentwicklungen von SAP.
SAP S/4HANA ist in drei verschiedenen Bereitstellungsvarianten verfügbar:
Zwar empfiehlt SAP den Clean Core für alle drei Optionen. Strikt durchgesetzt wird er bisher jedoch nur bei der SAP S/4HANA Cloud, Public Edition. Modifikationen sind hier also grundsätzlich nicht möglich. Vielmehr arbeiten Unternehmen mit den sogenannten SAP Best Practices (vordefinierte Standardprozesse) und müssen ihre Organisation entsprechend angleichen. In der On-Premise-Version und in der Private Cloud besteht hingegen weiterhin die Möglichkeit, individuelle Anpassungen an der ERP-Software vorzunehmen. Dies ist jedoch stets mit dem Risiko verbunden, dass später ein höherer Wartungsaufwand entsteht. Auch die Upgrade-Fähigkeit ist in diesem Fall eingeschränkt und Aktualisierungen führen zu höheren Kosten.
Ein Clean Core in SAP-Systemen hat mehrere Vorteile für Unternehmen. Allen voran ist die problemlose Integration von Updates zu nennen. Innovationen und neue Funktionen können kontinuierlich integriert werden, ohne dass bestehende Individualisierungen dies erschweren oder gar unmöglich machen. Hinzu kommt, dass standardisierte Systeme deutlich zuverlässiger laufen und im Bedarfsfall besser skaliert werden können.
Standardisierte Geschäftsprozesse bieten außerdem bessere Automatisierungsmöglichkeiten. SAP spricht auf seiner Website sogar davon, dass 70 Prozent aller Kernprozesse in SAP S/4HANA automatisierbar sind. Gleichzeitig führt der Software-Hersteller an, dass die erforderliche Datenbankgröße dank Clean Core um 50 Prozent geringer ausfällt – ein Faktor, der sich selbstverständlich auf die IT-Kosten auswirkt.
Weiterhin sind folgende Vorteile des Clean Core-Ansatzes zu nennen:
Wer sich für das Prinzip „Keep the core clean“ entscheidet, entscheidet sich für die konsequente Nutzung von standardisierten Best-Practice-Prozessen. Für Unternehmen, die individuelle Anpassungen bisher in Form von Eigenentwicklungen (Z-Entwicklungen) und Modifikationen abgebildet haben, ist dies eine tiefgreifende Veränderung. Sie müssen nicht nur ihre Geschäftsprozesse an Branchen-Standards angleichen, sondern auch ihre Vorgehensweise bei der Umsetzung spezifischer Geschäftsanforderungen grundlegend ändern: Alle individuellen Prozesse und Funktionen müssen ab sofort außerhalb des Kernsystems entwickelt werden. Dies kann beispielsweise über die Side-by-Side Extensibility in der SAP BTP erfolgen, wobei individuelle Anwendungen und Workflows außerhalb des SAP S/4HANA-Systems betrieben und über Schnittstellen integriert werden. Dadurch bleiben sowohl der SAP-Standard als auch die Update-Fähigkeit des ERP-Systems erhalten, während Unternehmen dennoch spezifische Anforderungen umsetzen können.
Darüber hinaus ändern sich in der Praxis durch das Clean Core-Prinzip auch die Aufgaben in IT-Teams: Im bisherigen Change-Prozess erfolgte die Umsetzung von fachlichen Anforderungen meist durch Z-Programmierungen in ABAP. Nun müssen solche Anforderungen mit den Möglichkeiten der SAP BTP abgebildet werden. Zwar gibt es dort immer noch ABAP-Optionen, es kommen jedoch auch neue Technologien wie Java, JavaScript (Node.js), das SAP Business Application Studio, Python (vor allem für KI und Analytics-Anwendungen) und Low-Code-Tools (z. B. SAP Build Apps) zur Anwendung. Insofern verschiebt sich der Bedarf weg von reinen ABAP-Entwicklern hin zu breiter aufgestellten BTP-Experten.
Die Einführung eines SAP Clean Core-Ansatzes erfordert eine grundlegende Transformation der Geschäftsprozesse. Unternehmen müssen ihre bestehenden Abläufe hinterfragen und an die von SAP vorgesehenen Standardprozesse anpassen. Dies kann insbesondere in branchen- oder unternehmensspezifischen Szenarien herausfordernd sein, da nicht für jede Branche eine vollumfängliche Standardlösung existiert.
Eine weitere Herausforderung ist der Change-Prozess innerhalb des Unternehmens. Mitarbeiter, die bisher mit stark individualisierten Lösungen gearbeitet haben, müssen sich an die neuen, standardisierten Prozesse gewöhnen. Dies erfordert eine umfassende Schulungs- und Kommunikationsstrategie, um Widerstände zu minimieren und eine reibungslose Umstellung sicherzustellen.
Die SAP Business Technology Platform (BTP) ist eine zentrale Komponente für die Umsetzung eines Clean Core-Ansatzes, da sie umfangreiche Möglichkeiten für individuelle Erweiterungen außerhalb des S/4HANA-Kernsystems bietet. Über die sogenannte Side-by-Side Extensibility können Unternehmen eigenentwickelte Anwendungen und Prozesse außerhalb des SAP S/4HANA-Kerns betreiben, ohne diesen zu verändern.
Die SAP BTP ermöglicht unter anderem Folgendes:
Ein Clean Core-Ansatz trägt wesentlich zur Sicherheit von SAP-Systemen bei, da er die Angriffsfläche für potenzielle Cyberbedrohungen reduziert. Individuelle Modifikationen innerhalb des Kernsystems stellen oft ein Risiko dar, da sie Sicherheitslücken enthalten oder den Einsatz von standardisierten Sicherheitsupdates erschweren können.
Durch die strikte Einhaltung des SAP-Standards bleibt die SAP-Landschaft stets auf dem neuesten Stand und profitiert von den regelmäßigen Sicherheitsupdates und Verbesserungen durch SAP. Da Erweiterungen über die SAP BTP erfolgen, können moderne Sicherheitsmechanismen wie Zero Trust Security, Verschlüsselungstechnologien und Zugriffskontrollen zudem ohne Anpassungen am Kernsystem integriert werden.
Ein weiterer Sicherheitsaspekt betrifft die Compliance und regulatorischen Anforderungen. Unternehmen, die ihre SAP-Systeme in regulierten Branchen betreiben, profitieren von der Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben und Auditanforderungen, da ein standardisiertes System einfacher zu überwachen und zu zertifizieren ist.
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