Greenfield vs. Brownfield: Welche Strategie für SAP S/4HANA?

Für die Einführung von SAP S/4HANA gibt es zwei Varianten. Beim Greenfield-Ansatz wird das ERP-System komplett neu aufgebaut, während bei der Brownfield-Strategie eine technische Konvertierung des Vorgängersystems erfolgt.

Jede der beiden Varianten hat spezifische Vorteile und Nachteile. Welche sind dies? Und welche Punkte sollten Unternehmen bei der Entscheidung zwischen den beiden Ansätzen beachten? 

Was ist der Greenfield-Ansatz?

Der Greenfield-Ansatz bezeichnet eine vollständige Neuimplementierung von SAP S/4HANA, bei der bestehende Systeme und Prozesse nicht übernommen, sondern neu gestaltet werden. Unternehmen beginnen dabei auf einer „grünen Wiese“, ohne Rücksicht auf bestehende Strukturen oder individuelle Anpassungen des bisherigen ERP-Systems.

Im Rahmen dieses Ansatzes werden Prozesse und die IT-Architektur von Grund auf neu definiert, was eine umfassende Einführung von modernen Best Practices und die Nutzung der Standardfunktionen von SAP S/4HANA ermöglicht.

Was ist der Brownfield-Ansatz?

Der Brownfield-Ansatz bezeichnet eine Systemkonversion von einem bestehenden SAP-ERP-System auf SAP S/4HANA. Im Gegensatz zum Greenfield-Ansatz wird dabei die bestehende Systemlandschaft einschließlich der Daten, Prozesse und individuellen Anpassungen (Custom Code) weitgehend beibehalten und technisch auf die neue Plattform migriert.

Wie Greenfield stammt auch der Begriff Brownfield aus der Bauwirtschaft. Er beschreibt hier die Umnutzung einer bestehenden Struktur anstelle eines Neubaus. Im IT-Kontext bedeutet dies, dass ein Unternehmen seine bewährten Prozesse weiterführt, während es schrittweise von der alten SAP-ERP-Software auf SAP S/4HANA umstellt.

Die dritte Option: Selektive Migration (Bluefield-Ansatz)

Unternehmen müssen nicht zwingend die Entscheidung „Greenfield vs. Brownfield“ treffen. Denn mit dem Bluefield-Ansatz steht eine dritte Option zur Verfügung, die Elemente beider Methoden kombiniert. Im Gegensatz zur vollständigen Neuimplementierung und der reinen Systemkonversion erlaubt es der hybride Bluefield-Ansatz, bestehende Systeme gezielt zu modernisieren, indem nur ausgewählte Prozesse, Daten und Anpassungen in die neue SAP S/4HANA-Umgebung übertragen werden. Veraltete oder ineffiziente Geschäftsprozesse können hingegen aussortiert werden. Somit ist eine schrittweise Transformation ohne vollständigen Neubeginn oder vollständige Übernahme der Altlasten möglich.

Greenfield vs. Brownfield: Wo liegen die Vorteile und Nachteile der beiden Ansätze?

Sowohl der Greenfield- als auch der Brownfield-Ansatz haben spezifische Vor- und Nachteile, die sich auf die Projektlaufzeit, Kosten, Innovationsmöglichkeiten sowie die Akzeptanz bei Mitarbeitern auswirken. Im Folgenden werden die Stärken und Schwächen der beiden Strategien näher beschrieben.

Welche Vorteile und Nachteile hat der Greenfield-Ansatz?

Die wesentlichen Vorteile der Greenfield-Strategie (Neuimplementierung) sind:

  1. Umfassende Möglichkeiten zur Prozessoptimierung: Der Greenfield-Ansatz bietet Unternehmen die Möglichkeit, alle Geschäftsprozesse von Grund auf neu zu gestalten. Bestehende Abläufe werden nicht einfach übernommen, sondern auf den Prüfstand gestellt. Das ermöglicht die Implementierung moderner Best Practices, die von SAP S/4HANA unterstützt werden. Unternehmen können veraltete Prozesse hinter sich lassen und sich an aktuellen Marktanforderungen ausrichten.

  2. Saubere IT-Landschaft: Bei einer Neuimplementierung entsteht eine schlanke und saubere IT-Struktur, da keine Altlasten aus früheren Systemen übernommen werden. Dies betrifft sowohl Custom Code (individuelle Anpassungen) als auch Daten, die häufig über Jahre hinweg unstrukturiert gewachsen sind. Durch den Wegfall von unnötigen Anpassungen wird das neue System einfacher zu warten und skalierbarer.

  3. Maximale Flexibilität für Innovationen: Der Greenfield-Ansatz erlaubt es Unternehmen, neue Technologien und Funktionen von SAP S/4HANA voll auszuschöpfen. Dazu zählen beispielsweise künstliche Intelligenz, Machine Learning und Predictive Analytics. Hierdurch können optimierte Prozesse und sogar gänzlich neue Geschäftsmodelle entstehen, die in einem Brownfield-Projekt möglicherweise nicht realisierbar wären.

  4. Zukunftssicherheit: Im Rahmen einer Neuimplementierung haben Unternehmen die Möglichkeit, ihre Prozesse möglichst nah am SAP-Standard auszurichten. Somit können neue Updates jederzeit problemlos übernommen werden. Zudem lassen sich standardnahe Prozesse wesentlich einfach skalieren.

Die nennenswerten Nachteile der Greenfield-Methode sind:

  1. Hoher Ressourcenaufwand: Eine vollständige Neuimplementierung erfordert umfangreiche finanzielle und personelle Ressourcen. Denn der Aufwand für die Analyse, Planung und Implementierung neuer Prozesse ist hoch. Wer jedoch auf vorkonfigurierte ERP-Systeme wie SAP S/4HANA Cloud, Public Edition setzt, kann die entsprechenden Aufwände in Grenzen halten.

  2. Längere Projektlaufzeiten: Im Vergleich zum Brownfield-Ansatz nimmt ein Greenfield-Projekt in der Regel mehr Zeit in Anspruch. Die umfassende Neugestaltung aller Prozesse und Strukturen sowie die Datenmigration erfordert eine detaillierte Planung und eingehende Tests, was die Einführungszeit verlängert.

  3. Bedarf an professionellem Change Management: Da bestehende Prozesse komplett überarbeitet werden, müssen Mitarbeiter intensiv geschult werden, um mit den neuen Abläufen vertraut zu werden. Die Veränderung kann zudem Widerstände hervorrufen – vor allem in Unternehmen, die lange Zeit auf ihre alten Systeme gesetzt haben. Ein effektives Change Management ist hier entscheidend, um die Akzeptanz des neuen Systems zu fördern.

Welche Vorteile und Nachteile hat der Brownfield-Ansatz?

Die Brownfield-Strategie (Systemkonversion) hat folgende zentrale Vorteile:

  1. Schnellere Umstellung: Der Brownfield-Ansatz ermöglicht eine schnellere Migration auf SAP S/4HANA, da bestehende Systeme technisch konvertiert werden. Im Vergleich zum Greenfield-Ansatz ist der Aufwand für die Analyse und Anpassung deutlich geringer. Unternehmen können schneller von den Vorteilen der neuen Plattform profitieren.

  2. Kosteneffizienz: Es müssen keine vollständig neuen Prozesse entwickelt werden, sondern es wird auf bestehenden Anpassungen und Datenstrukturen aufgebaut. Aus diesem Grund sind Brownfield-Projekte oftmals kostengünstiger.

  3. Beibehaltung bewährter Prozesse: Der Brownfield-Ansatz ermöglicht es Unternehmen, ihre bewährten Geschäftsprozesse weiterzuführen. Dies reduziert den Schulungsaufwand für Mitarbeiter und sorgt für eine höhere Akzeptanz des neuen Systems. Vor allem Unternehmen mit stark angepassten Prozessen und umfangreichen historischen Daten profitieren davon.

  4. Geringere Risiken bei der Datenmigration: Da bestehende Datenstrukturen übernommen werden, ist die Datenmigration in einem Brownfield-Projekt weniger komplex. Unternehmen können sicher sein, dass historische Daten vollständig im neuen System verfügbar sind, ohne dass diese dort manuell angelegt werden müssen.

Diesen Vorteilen stehen folgende Nachteile gegenüber:

  1. Übernahme von Altlasten: Ein häufiges Problem beim Brownfield-Ansatz ist, dass veraltete Prozesse, ineffiziente Strukturen, qualitativ minderwertige Daten und Custom Code mit in das neue System übernommen werden. Hierdurch kann das neue ERP-System komplizierter, wartungsintensiver und ineffizienter werden.

  2. Geringeres Potenzial für Innovationen: Der Fokus des Brownfield-Ansatzes liegt auf der technischen Migration, nicht auf der Prozessoptimierung. Unternehmen nutzen häufig nur einen Bruchteil der neuen Funktionen von SAP S/4HANA, da sie ihre bestehenden Prozesse weiterführen, anstatt diese grundlegend zu modernisieren.

  3. Komplexität der Migration: Besonders Unternehmen mit stark angepassten Altsystemen stoßen beim Brownfield-Ansatz auf technische Herausforderungen. Denn bestehende Individuallösungen müssen in der Regel angepasst oder sogar komplett ersetzt werden, um mit SAP S/4HANA kompatibel zu sein. Dies kann den Zeitaufwand erhöhen und zu unerwarteten Problemen führen.

Greenfield vs. Brownfield: die Stärken und Schwächen im Überblick

Hier sind die zuvor genannten Vorteile und Nachteile der beiden Ansätze zusammengestellt:

Kriterium

Greenfield-Ansatz

Brownfield-Ansatz

Implementierungsdauer

meist länger

meist kürzer

Kostenaufwand

meist höher

meist geringer

Prozessoptimierung

vollständig möglich

nur teilweise möglich

Datenmigration

selektiv (manuell)

vollständig (automatisierbar)

Flexibilität

sehr hoch

begrenzt

Technische Altlasten

keine

vorhanden

Schulungsaufwand

umfangreich

gering

Greenfield vs. Brownfield: Welche Strategie passt zu meinem Unternehmen?

Die Entscheidung „Greenfield vs. Brownfield“ hängt stets von den individuellen Ausgangsvoraussetzungen und Zielen ab.

Greenfield empfiehlt sich vor allem für Unternehmen, auf die folgende Punkte zutreffen:

  • Die bestehende ERP-Lösung soll komplett überholt werden.
  • Es wird eine umfassende Veränderung und Verbesserung von Prozessen angestrebt.
  • SAP S/4HANA soll schrittweise eingeführt werden.
  • Das bisherige System hemmt Innovationen und Wachstum.
  • Eine Systemkonvertierung ist aus technischen Gründen nicht möglich.

Brownfield kommt für Unternehmen infrage, die folgende Voraussetzungen haben:

  • Bewährte Prozesse sowie bestehende Stamm- und Transaktionsdaten sollen beibehalten und in die HANA-Datenbank überführt werden.
  • Eine schrittweise Einführung wird nicht benötigt.
  • Eine Runderneuerung der ERP-Umgebung ist nicht erforderlich.
  • Die bisherige ERP-Lösung ermöglicht Innovationen und ist skalierbar.
  • Die technischen Voraussetzungen für eine Systemkonvertierung sind erfüllt.

Das Zielsystem ist das wichtigste Entscheidungskriterium

Neben den zuvor genannten Punkten wird die Wahl der Strategie jedoch vor allem vom angestrebten Zielsystem bestimmt. Hier haben Unternehmen grundsätzlich folgende Optionen:

  • Umstieg auf SAP S/4HANA On-Premise
  • Umstieg auf SAP S/4HANA Cloud, Private Edition
  • Umstieg auf SAP S/4HANA Cloud, Public Edition

In der Regel ist der Brownfield-Ansatz zur Konversion von SAP-Altsystemen (in der Regel SAP ECC) nur bei den ersten beiden Varianten überhaupt anwendbar. Bei einem Wechsel auf SAP S/4HANA Cloud, Public Edition ist Greenfield hingegen obligatorisch. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich beim Vorgängersystem um ein SAP- oder ein Non-SAP-Produkt handelt.

Hierzu ein kurzer Exkurs: Alle Unternehmen, die von SAP ECC auf S/4HANA umsteigen möchten, müssen sich zwischen einer der oben genannten Varianten entscheiden. Dabei spielt der Individualisierungsgrad der Geschäftsprozesse eine wichtige Rolle. Denn während die Public-Cloud-Variante mit nicht veränderbaren Branchenstandards (sogenannten Best Practices) arbeitet, ist im Falle von SAP S/4HANA On-Premise und Private-Cloud-Variante eine hochgradige Individualisierung möglich.

Allgemein spricht jedoch gerade für kleine und mittelständische Unternehmen vieles für die Public Edition. Zunächst liegt der strategische Fokus von SAP klar auf dieser Variante. Entsprechend wird SAP S/4HANA Cloud, Public Edition besonders stark ausgebaut, während die Anstrengungen bei den anderen Varianten zurückgehen. Zudem hat es gewisse Vorteile, die eigene Organisation an die SAP Best Practices anzupassen. Vor allem lassen sich dadurch schlanke, hervorragend skalierbare, moderne und zukunftssichere Geschäftsprozesse realisieren. Ein Verzicht auf Modifikationen (Clean Core) sichert außerdem die volle Releasefähigkeit. Weiterhin ist der IT-Aufwand dank der verwalteten SAP Public Cloud besonders niedrig. Nicht zuletzt erhalten Kunden der SAP S/4HANA Cloud, Public Edition automatisch vier neue Updates pro Jahr, um deren Implementierung sie sich nicht kümmern müssen. Somit ist stets ein Zugang zu den neuesten Best Practices, Funktionen und Technologien, wie KI-gestützte Services und Analysen, gewährleistet.

Insgesamt ist für mittelständische Unternehmen die Greenfield-Implementierung von SAP S/4HANA Cloud, Public Edition der Weg mit der größten Zukunftssicherheit. Unternehmen mit sehr spezifischen Anforderungen und einem gut aufgestellten IT-Team können jedoch auch mit dem Brownfield-Ansatz gut beraten sein.

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